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Anneleen Van Herreweghe, Analystin bei der belgischen Bank KBC, sagt im Interview mit ECOreporter.de, in welche Unternehmen der Bioenergiebranche die KBC-Fonds investieren und bezieht kritisch Position zu Biokraftstoffen

Am Thema Biokraftstoffe scheiden sich die Geister: Die einen sehen sie als ökologisch sinnvollen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Energieversorgung. Andere fürchten sie als Konkurrenten zu Lebensmitteln auf dem Acker und weisen auf Raubbau am Regenwald und Monokulturen zum Beispiel in Brasilien hin. Wie beurteilen professionelle Anleger das Thema und wo sehen sie Chancen, nachhaltig in Bioenergie zu investieren? ECOreporter.de sprach darüber mit Anneleen Van Herreweghe, Analystin bei der belgischen Bank KBC, die unter anderem eine Reihe von Nachhaltigkeitsfonds aufgelegt hat.


ECOreporter.de: Die Produktion von Biokraftstoffen wird hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Wechselwirkungen auch von Fachleuten sehr unterschiedlich bewertet. Wo sehen Sie die schwerwiegendsten Probleme der jungen Branche?
Anneleen Van Herreweghe: Dazu möchte ich vier Punkte nennen: Die Biotreibstoffproduktion steht im Wettbewerb mit der Nahrungsmittelproduktion. Sie gefährdet in bestimmten Regionen das Umweltgleichgewicht. Sie benötigt sehr viel Wasser. Und sie treibt das Bestreben nach genetischen Modifizierungen an.

Die Biotreibstoffindustrie profitiert von den hohen Preisen der kohlenstoffbasierten Brennstoffe sowie von den negativen Auswirkungen auf das Klima durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Das schnelle Wachstum dieser Industrie spielt eine große Rolle im Wettbewerb mit landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Getreide, Zucker, Sojabohnenöl und Palmöl.
Es wird schwierig sein, genügend Land mit energiereichen Futtermitteln zu bepflanzen und den EU-Zielwert von 5,75 Prozent der Biotreibstoffe in Transportkraftstoffen bis 2010 zu treffen. Der Wettbewerb zwischen Nahrungsmitteln und Futtermitteln ist daher unvermeidlich.
Die Bewertung durch die europäische Umweltbehörde ergab, dass aus landwirtschaftlichen Gebieten bis 2010 ein Öläquivalent (toe) von 47 Millionen Tonnen aus Bioenergie produziert werden könnte ohne zusätzlichen Druck auf die Umwelt auszuüben. Es könnte jedoch ein Anstieg auf mehr als 95 Millionen toe bis 2020 und 144 Millionen toe bis 2030 stattfinden.

Ein Umweltungleichgewicht droht in Ländern wie z.B. Indonesien, Brasilien oder Malaysia. Dort werden immer mehr Flächen abgeholzt und bewirtschaftet, ein Eingriff in das Ökosystem dieser äquatorialen Forstgebiete. Durch die Bepflanzung für die Palmölproduktion gingen die Waldgebiete in Indonesien in den letzten Jahren um 25 Prozent zurück. Um die massive Abholzung zu begrenzen, möchte die europäische Kommission die Emission von Zertifikaten vorantreiben. Damit könnte sicher gestellt werden, dass Palmöl oder Sojabohnenöl nachhaltig erzeugt wird. Das Gleiche hat man in der Papierproduktion, die auch mit Abholzung verbunden ist, bereits getan.

Der hohe Wasserverbrauch der Biotreibstoffproduktion hat ganz natürliche Ursachen: Von allen Feldfruchtsorten benötigt Getreide am meisten Wasser.

Die angestiegene Nachfrage nach Biokraftstoffen treibt die Nachfrage nach Feldfrüchten an. Das zieht wiederum eine intensivere Nutzung von chemischen Mitteln, eine stärkere Ausbreitung von genetisch-modifizierten Feldfrüchten und größere Anbauflächen nach sich. Es herrscht aber Unsicherheit bezüglich der Auswirkungen von genetisch verändertem Erbgut. Befürchtet wird beispielsweise die Verschmutzung von Saatgut und der Verlust von Saatarten in Europa.


ECOreporter.de: Ein häufig verwendetes Argument für die Nutzung zum Beispiel von Raps und Getreide zur Herstellung von Biokraftstoffen sind die Überschüsse der Europäischen Union. Durch die Nutzung für die Biokraftstoffproduktion ließen sich Subventionen einsparen, wird angeführt. Hat dieses Argument aus Ihrer Sicht Gewicht?
Van Herreweghe: Die EU reformiert derzeit die ‘Common Agricultural Policy’ (CAP). Die Entwicklung geht in Richtung eines Systems, in dem umwelttechnische und landwirtschaftliche Grundsätze berücksichtigt werden sollen.
Die Getreidepreise steigen durch die Biokraftstoffproduktion an. Die Produzenten verzeichnen eine Steigerung Ihrer Erträge. Ländliche Wirtschaftssysteme profitieren von diesen Produktionszweigen.


ECOreporter.de: Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede bei der Nutzung von Biokraftstoffen durch Entwicklungs- und Schwellenländer auf der einen, sowie Industrieländer auf der anderen Seite?
Van Herreweghe: Es ist nicht ganz klar, ob es große Unterschiede zwischen den Industrie- und Entwicklungs- bzw. Schwellenländern gibt. Bioethanol wird insbesondere in den USA und Brasilien verbraucht, wobei die Produktion hierfür in Thailand und Indien anzusiedeln ist. Die Produktion von Biodiesel hingegen findet schwerpunktmäßig in Europa, Indonesien und Malaysia statt und ist im Vergleich zu der Bioethanolproduktion bedenklicher.


ECOreporter.de: Welche Technologien für die Nutzung von Bioenergien halten Sie für nachhaltig? Welche börsennotierten Bioenergieunternehmen kommen für die KBC für ein Investment in Frage?
Van Herreweghe: Nach Angaben von Herrn Professor Soetaert, Professor für industrielle Biotechnologie in Ghent/Belgien hat aufgrund der Energieintensität, die Herstellung von Biodiesel eine größere Zukunft als die von Bioethanol. Bei der Produktion von Bioethanol erhält man für jede Energieeinheit, die als Pflanzenmasse eingesetzt wird, durchschnittlich eine Einheit zurück (Umwandlung 1:1). Bei Biodiesel ist die Energieausbeute geringer, da nur die Ölfrüchte verwendet werden und der verbleibende Biomassenrest (Rapsstroh und Rapsschrot) nicht energetisch genutzt wird. Die Umwandlung liegt bei 1 zu 0,3.

Folgende Bioenergie-Aktien sind im Investmentuniversum unserer Fonds enthalten und kommen für ein Investment in Frage:
Abengoa, Actelios, Alternative Energy Sources, Australian Biodiesel Group, Australian Ethanol, Australian Renewable Fuels, Aventine Renewable Energy Holdings, Babcock & Brown Environmental, Better Biodiesel, Biodiesel International, Biofuels, Biofutures International, Biopetrol Industries, Compact Power Holdings, Covanta, Cropenergies, D1Oils, Dynamotive Energy Systems, Earth Biofuels, Energy Developments, EOP Biodiesel, Ethanex Energy, Green Plains Renewable Energy, GTL Resources, Mission Biofuels, Novera Energy, Pacific Ethanol, Pure Biofuels, Renova Energy, Velcan Energy, VeraSun Energy, Xethanol, Verbio.


ECOreporter.de: Welche Aktien von Bioenergie-Unternehmen halten Sie mit einem oder mehreren KBC-Nachhaltigkeitsfonds?
Van Herreweghe: Unsere Eco Funds halten aktuell Aktien dieser Unternehmen: Abengoa, Actelios, Aventine Renewable Energy Holdings, Biopetrol Industries, Covanta, D1 Oils, Dynamotive Energy Systems, Energy Developments, Novera Energy, Renewable Energy.


ECOreporter.de: Die Befürworter von Pflanzensprit erhoffen sich von den Kraftstoffen aus Mais, Getreide oder Raps Einsparungen bei klimaschädigenden CO2-Emissionen und mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Welche alternativen Antriebs- und Verkehrskonzept gibt es, mit denen man im massenhaften Einsatz vergleichbare Einsparungen realisieren könnte?
Van Herreweghe: Wir sehen Biogas und Wasserstoff als mögliche Alternativen an.

Biogas, das aus Holz gewonnen wird, tritt anders als Bioethanol und Biodiesel nicht in Wettbewerb mit der Nahrungsmittelproduktion. Diese Technologie ist derzeit allerdings nicht kommerziell erhältlich. Es können aber grundsätzlich alle biologisch abbaubaren Massen für die Produktion von Biogas verwendet werden. Dies ist der größte Vorteil bei der Nutzung von Biogas.

Wasserstoff sehen wir zurzeit eher kritisch. Solange die Produktionskosten, die Speicherung und die Verteilung nicht geklärt sind, ist es unwahrscheinlich, dass Wasserstoff zu einem wichtigen Energieträger wird. Voraussetzung für eine zukünftige Nutzung ist die wirtschaftliche Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyse aus erneuerbaren und nuklearen Quellen.


ECOreporter.de: Sind Ihnen Unternehmen mit interessanten Technologien in diesem Bereich bekannt, in die investiert werden kann?
Van Herreweghe: Unternehmen des Biogassektors sind zum Beispiel Schmack Biogas, Biogas Nord, Conergy, KWS oder Alkane Energy. Im Bereich der Brennstoffzellen ist die Liste länger: Acta, Ballard Power Systems, Ceramic Fuel Cells, Ceres Power Holdings, Distributed Energy Systems, Fuelcell Energy, Hoku Scientific, Hydrogenics, ITM Power, Johnson Matthey, Medis Technologies, Opcon, Polyfuel, Quantum Fuel System, Voller Energy Group.


ECOreporter.de: Wie beurteilen Sie die pflanzenbasierten so genannten Treibstoffe der zweiten Generation, auf die die Automobilindustrie so große Hoffnungen setzt?
Van Herreweghe: Die Entwicklung der neuen Biotreibstofftechnologien ist vielversprechend. Sie bieten vor allem Vorteile bei Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit.

ECOreporter.de: Frau Van Herreweghe, wir danken Ihnen für das Gespräch!


Bild: Anneleen Van Herreweghe / Quelle: Unternehmen
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