Finanzdienstleister

4.10.2006: Im Schwitzkasten der Bürokraten oder auf dem Weg zu mehr Verbraucherschutz? Das geplante Gesetz für Versicherungsvermittler wirft viele Fragen auf

Entbürokratisierung? Von wegen: Jetzt geht es auch noch den Versicherungsvermittlern ans Leder. Das geplante "Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts" soll für die ca. 500.000 deutschen professionellen Versicherungsvermittler, wie es in bestem Bürokratendeutsch heißt, eine "Erlaubnispflicht" schaffen. Die nicht gerade für unbürokratisches Vorgehen berühmten Industrie- und Handelskammern sollen "Erlaubnis- und Registrierungsstellen" werden. Was bedeutet das für die Versicherungsvermittler, inwiefern sind auch nachhaltige Geldanlagen betroffen? ECOreporter.de hat nachgefragt und Überraschendes gehört.

Bisher ist die gewerbsmäßige Vermittlung von Versicherungen in Deutschland nicht erlaubnispflichtig. Der Vermittler muss nur nach § 14 der Gewerbeordnung dem Gewerbeamt melden, dass er tätig wird. Doch eine EU-Richtlinie von 2003 macht mit diesem unbürokratischen Zustand nun Schluss: Alle Mitgliedstaaten müssen "die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung einer Erlaubnispflicht unterziehen". Die Erlaubnis bekommt nur, wer qualifiziert ist, eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, in geordneten Vermögensverhältnisse lebt und einen "guten Leumund" hat. Ziel der Richtlinie: mehr Verbraucherschutz; unter anderem sieht die EU-Richtlinie nämlich vor, dass Kundengeld zu sichern und Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten des Vermittlers zu schaffen. Nicht ausgesprochenes Ziel: Mehr Verwaltung. Denn demnächst sollen sich sämtliche gewerblich tätigen Vermittler in ein oder mehrere nationale Register eintragen, wobei die in verschiedenen Registern enthaltenen Informationen von einer zentralen Auskunftsstelle aus abrufbar sein müssen.

Befreit sind die ausschließlich für ein Versicherungsunternehmen tätigen Vermittler, die so genannten gebundenen Vermittler. Zumindest dann, wenn das Versicherungsunternehmen die uneingeschränkte Haftung übernimmt.

"Nach unserem derzeitigen Zeitplan gehen wir von einer Verkündung des Gesetzes im Dezember 2006 aus. Ob der Fahrplan eingehalten wird, ist Sache des Bundestags", sagt Beatrix Brodkorb, Sprecherin des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, das für das deutsche Vermittlergesetzes verantwortlich ist. Laut Brodkorb schieben sich Bundesrat und Bundesregierung die Gesetzesvorlage derzeit hin und her. Die Bundesregierung habe zuletzt die meisten Änderungsvorschläge des Bundesrates abgelehnt, darunter eine Verschärfung der Beratungspflichten.

Für Andreas Grohmann, Leiter Marketing/Kommunikation bei der oeco capital Lebensversicherung AG in Hannover, liegt das Vermittlergesetz derzeit noch in weiter Ferne. "Laut unserem Fachbereich gibt es derzeit nach wie vor nur den Referentenentwurf aus dem Frühjahr", sagt er gegenüber ECOreporter.de. Die Regelungen würden im Falle der Verabschiedung aber für nachhaltige Versicherungsprodukte genauso gelten wie für konventionelle.

Stefan Maiss, Chef der Stuttgarter ProVita GmbH, die auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert ist und unter anderem ökologische Lebensversicherungen vermittelt, sagt: . "Wir erwarten, dass von Finanzdienstleistern künftig eine Qualifizierung gemäß eines bereits bestehenden Rahmenstoffplanes der DIHK verlangt wird. Zudem wird in Zukunft der Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zwingend vorgeschrieben werden", so Maiss.

Der Bereich nachhaltige Geldanlagen sei von den bevorstehenden Veränderungen genauso betroffen wie der übrige Versicherungssektor, erklärt der Stuttgarter. Und weiter: "Wir begrüßen diese gesetzliche Initiative. Vertriebsgesellschaften, die viele nebenberufliche Vermittler beschäftigen, werden davon wohl nicht so erfreut sein. Alle unsere hauptberuflichen Vertriebspartner haben aber bereits im letzten Jahr die bestehende IHK-Qualifizierung durchlaufen."

Die laut der EU-Richtlinie geplanten Beraterprotokolle beurteilt Maiss positiv. Zwar gebe es derzeit noch keinen Entwurf, man wisse also nicht genau, was am Ende heraus komme. Zum Schutz des Beraters sei ein Protokoll jedoch sinnvoll. "Es gibt immer wieder Kunden, die trotz entsprechender Beratung keine ausreichende Risikovorsorge treffen. Wenn es da nachträglich zum Streit kommt, etwa weil der Kunde krank wird und keinen entsprechenden Risikoschutz hat, kann der Berater nachweisen, dass er auf die Versorgungslücke hingewiesen hat", so Maiss.

Zu den fünf Forderungen des EU-Parlament gehört auch die Sicherung von Kundengeldern. Wie könnte sich das praktisch auswirken? Maiss glaubt nicht, dass die Richtlinie direkt zu Veränderungen auf der Produktseite führen wird. Dem Gesetzgeber gehe es nicht um eine Produktprüfung, sondern um die Beratungsqualität und Beratungsstandards, die man auf EU Niveau anpassen wolle. "Wir hoffen aber, dass mit höherem Kenntnisstand und den zunehmenden Haftungsproblemen den Beratern "saubere" Produkte mehr am Herzen liegen werden." Der Versicherungsexperte rechnet mit Inkrafttreten des Gesetzes im Herbst 2007.

Bilder: Schimmel / Quelle: Webshots; Andreas Grohmann; Stefan Maiss / Quelle: Unternehmen
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