Fonds / ETF

31.3.2005: "Ein Signal an die Unternehmen, dass sie machen k?nnen, was sie wollen" - ECOreporter.de-Interview ?ber Nachhaltigkeitsbewertungen nach dem best-in-class Prinzip

Was sagen Experten zur Nachhaltigkeit von Geldanlagen nach dem best-in-class Prinzip? Im unserer Reihe von Experten-Gespr?chen hierzu stellte sich Antje Schneewei? vom Institut für ?konomie und ?kumene des S?dwind e.V. den Fragen von ECOreporter.de. Sie ist Autorin des "Kursbuch Ethische Geldanlage". Das Institut hat Kriterienkataloge für kirchliche und nicht-kirchliche Investoren erarbeitet. Antje Schneewei? erl?uterte gegen?ber ECOreporter.de unter anderem, warum der best-in-class Ansatz für kirchliche Anleger von Bedeutung ist, inwiefern kirchliche Anleger ihn kritisieren und Konsequenzen aus der Kritik ziehen.


ECOreporter.de: Der S?dwind e.V. ist Tr?ger des "Instituts für ?konomie und ?kumene". Es hat Kriterien für ethisch verantwortliche Geldanlagen erarbeitet. Welche sind das?
Schneewei?: So etwas wie einen S?dwind Kriterienkatalog für sozialverantwortliche Geldanlagen gibt es nicht. Wir haben verschiedene Kriterienkataloge für kirchliche und nicht-kirchliche Investoren erarbeitet. Der Kriterienkatalog des Natur-Aktien-Index (NAI) der Securvita, an dem wir auch mitgearbeitet haben, entspricht aber weitgehend unseren Vorstellungen.


ECOreporter.de: Ihr Institut ber?t kirchliche Anleger. Welche Rolle spielen diese im Bereich des nachhaltigen Investments?
Schneewei?: Die Kirchen stehen oft in dem Ruf, sich zu wenig im Bereich ethischer Geldanlagen zu engagieren. Dies kann ich so nicht best?tigen. Die beiden ersten, Anfang der neunziger Jahre in Deutschland aufgelegten ?kofonds wurden von Kirchen initiiert. Seitdem wird in sehr vielen kirchlichen Gremien, die in Finanzangelegenheiten entscheiden, ?ber sozialverantwortliche Varianten der Geldanlage diskutiert. Der Eindruck, dass sich im kirchlichen Bereich kaum etwas bewegt, entsteht dadurch, dass die Verantwortlichen sehr zur?ckhaltend mit ?u?erungen zu kirchlichen Finanzen sind. Au?erdem geht der Umschichtung von Geldern in einen sozialverantwortlichen Fonds oft ein jahrelanger Diskussionsprozess voraus. Ich bin immer wieder erstaunt, zu h?ren, dass auch im Bereich der Hilfswerke und anderer kirchlicher Institutionen Gelder umgeschichtet wurden oder ein intensiver Diskussionsprozess in Gang ist.

Die gro?en finanziellen Probleme, die Kirchen zur Zeit bew?ltigen m?ssen, tun dieser Entwicklung keinen Abbruch. Ich habe eher beobachtet, dass das Thema Geld dadurch intensiver diskutiert wird und dies eine Gelegenheit ist, auch die Frage nach der Ethik in der Anlagepolitik zum Thema zu machen. Sicherlich ist es aber auch nach wie vor so, dass kirchliche Anleger viel mehr Geld sozialverantwortlich anlegen k?nnten und sollten. Aber sie sind schon heute ein wichtiger Akteur.


ECOreporter.de: Warum ist der best-in-class Ansatz für kirchliche Anleger von Bedeutung?
Schneewei?: Der best-in-class Ansatz ?berzeugt vor allem jene, die für kirchliche Finanzen verantwortlich sind, und das ist auch verst?ndlich. Es ist ihre Verantwortung, kirchliche Gelder zu "bewahren und zu vermehren", so dass auch angesichts sinkender Kirchensteuereinnahmen m?glichst viele der kirchlichen Aktivit?ten erhalten bleiben k?nnen. Sie tragen da eine gro?e Verantwortung und legen deshalb am liebsten dort an, wo das Risiko gering ist, aber eventuell eine leicht h?here Rendite als bei Festgeld oder Sparbriefen zu erzielen ist. Best-in-class geht einher mit der Anlage in Gro?unternehmen, deren Kurse geringeren Schwankungen unterliegen als kleine und mittlere Unternehmen und sie geben Anleihen heraus, die einen gutes Rating erzielen. Dies ist genau das, was Finanzreferenten und -direktoren suchen. Selbst wenn man darauf verweist, dass Fonds mit kleinen und mittleren Unternehmen und wesentlich strengeren ethischen Kriterien in den letzten Jahren besser abgeschnitten haben als best-in-class Fonds, sind diese aufgrund des Risikos keine Alternative für sie.


ECOreporter.de: Gibt es aus Sicht der kirchlichen Anleger Kritik am best-in-class Ansatz?
Schneewei?: W?hrend vor allem die Finanzreferenten den best-in-class Ansatz bevorzugen, sieht die kirchliche Basis, besonders wenn sie sich mit entwicklungspolitischen Fragen besch?ftigt, das ganz anders. Hier ist es für viele nicht nachvollziehbar, wie Titel wie Bayer und das RWE in einen kirchlichen "Nachhaltigkeitsfonds" gelangen k?nnen. Dadurch entstehen ?ber diese Fonds Auseinandersetzungen um die kirchliche Anlagepolitik, die sehr gut und wichtig sind und die, so ist zu hoffen, zu L?sungen jenseits eines best-in-class Ansatzes f?hren.


ECOreporter.de: Inwiefern k?nnen Geldanlagen nach dem best-in-class Prinzip etwas bewirken?
Schneewei?: Es wird immer gesagt, man gibt den Unternehmen durch den best-in-class Ansatz einen Anreiz, sich zu verbessern. So wie dieser Ansatz heute umgesetzt wird, glaube ich das aber nicht. Wenn man bedenkt, dass au?er zwei Titeln alle DAX Unternehmen in irgendeinem Nachhaltigkeitsfonds enthalten sind, ist dies doch nur ein Signal an die Unternehmen, dass sie machen k?nnen, was sie wollen, irgendein Analyst wird schon einen Grund finden, sie in einen Nachhaltigkeitsfonds aufzunehmen. F?r mich hat dieser Ansatz nur einen Sinn, wenn er mit strengen Ausschlusskritierien kombiniert wird und wenn die Messlatte für dass, was "best-in-class" bedeutet, hoch gelegt wird. So hoch, dass eine Branche auch einmal ganz wegfallen kann, weil keines der Unternehmen die Anforderungen erf?llt. Au?erdem sollte best-in-class mit einem "Engagement"-Ansatz kombiniert werden. Dieser Weg, bei dem eine Investition von einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Unternehmen begleitet wird, wird in der Bundesrepublik noch ?berhaupt nicht beschritten. Er w?re aber eine gute Erg?nzung zu "best-in-class". Gerade für institutionelle Investoren, die in den oben genannten Zw?ngen stecken, w?re es eine gute L?sung zu sagen: Wir m?ssen in Gro?unternehmen investieren, aber wir treten hier als Investoren gezielt mit den Unternehmen in Kontakt, um auf Missst?nde aufmerksam zu machen. Ich halte es durchaus für m?glich, dass sich kirchliche Investoren hierzulande in diese Richtung entwickeln, w?rde hierf?r aber einen Zeitraum von 5-10 Jahren veranschlagen.


ECOreporter.de: K?nnen Sie Beispiele für Unternehmen nennen, deren Aktien nach dem best-in-class Prinzip in Nachhaltigkeitsfonds Aufnahme finden, die aber aus Ihrer Sicht keine ethisch verantwortliche Geldanlage darstellen?
Schneewei?: Unternehmen, die in Nachhaltigkeitsfonds aufgenommen werden, sollten in au?ergew?hnlichem Ma?e einen Beitrag zur L?sung sozialer oder ?kologischer Probleme leisten, so wie es die Wind- oder Solarenergiefirmen tun. Gro?konzerne k?nnen auch dazu geh?ren, wenn sie in ihrer gesamten Konzernt?tigkeit dieser Maxime folgen. Davon gibt es jedoch nur sehr wenige, aber es gibt sie. Siemens und Bayer geh?ren sicherlich nicht dazu. Bayer ist f?hrend in der Herstellung von chemischen Pflanzenschutzmitteln, und für mich ist nicht erkennbar, dass dort ernsthaft nach Alternativen zu diesen hochproblematischen Produkten gesucht wird. Um in einen Nachhaltigkeitsfonds zu passen, m?sste das Unternehmen ?hnliche Anstrengungen unternehmen wie etwa BP. BP arbeitet in dem ebenfalls hochproblematischen ?lsektor, bem?ht sich aber ernsthaft um Alternativen und verh?lt sich bei Aktivit?ten in Entwicklungsl?ndern teilweise beispielhaft. Bayer dagegen hat Jahr für Jahr mit Skandalen zu k?mpfen, die immer wieder zeigen, dass soziale Verantwortung nicht durchg?ngig in dem Konzern umgesetzt wird, auch wenn es ein paar Fortschritte geben mag. Die ?berzeugen aber eben allerh?chstens einige Nachhaltigkeitsanalysten, die einen sehr verw?sserten best-in-class Ansatz verwenden.


ECOreporter.de: Inwiefern ziehen kirchliche Anleger aus der Kritik an Unternehmen Konsequenzen bei der Geldanlage? Wie machen sie ihren Einfluss geltend?
Schneewei?: Auch wenn sie in Nachhaltigkeitsfonds investieren, engagieren sich Kirchen leider kaum selbst gegen?ber Unternehmen. Ich w?rde gerne sagen: noch nicht, denn ich hoffe sehr, dass in den kommenden Jahren ein solcher Prozess in Gang kommt. Mir ist nur ein Fall bekannt, in dem eine Landeskirche ?ber den Verein Ethos an Abstimmungsprozessen auf Hauptversammlungen im Sinne eines sozialverantwortlichen Investors teilnimmt.


ECOreporter.de: Ihr Institut setzt sich daf?r ein, entwicklungspolitische Belange in den vorhandenen Ratingsystemen für Nachhaltigkeitsfonds zu st?rken. Wie kann dies geschehen?
Schneewei?: Wir haben im letzten Jahr eine ?bersicht dar?ber erstellt, welche entwicklungspolitischen Kriterien von Nachhaltigkeitsanalysten im deutschsprachigen Raum verwendet werden. Diese Liste diente als Vorlage für einem Workshop, beidem Nachhaltigkeitsanalysten mit Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften aus Entwicklungsl?ndern diskutierten. Das Ergebnis war, dass die Kriterien im Gro?en und Ganzen geeignet sind. Nur die Recherche zu diesen Kriterien kann bisher nur unbefriedigend durchgef?hrt werden. Rating-Agenturen st?tzen ihre Bewertung bisher vor allem auf Berichte in westlichen Medien oder ?ber das Unternehmen selbst. Es fehlt ein Netzwerk von NGOs (Nichtregierungsorganisationen) aus dem S?den, auf das sie zur?ckgreifen k?nnen. Andererseits kennen NGOs im S?den das Instrument der nachhaltigen Geldanlagen kaum und stehen ihm teilweise misstrauisch gegen?ber. S?dwind hat sich hier zum Ziel gesetzt, die Kommunikation zu verbessern und auf Dauer mehr und verl?sslichere Informationen aus dem S?den zug?nglich zu machen.


ECOreporter.de: Frau Schneewei?, wir danken Ihnen für das Gespr?ch.

Bildhinweis:
Antje Schneewei? / Quelle: S?dwind.e.V.;
ist Bayer eine Nachhaltigkeitsaktie mit wenig Licht und viel Schatten? / Quelle: Unternehmen
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