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12.11.2004: Schweden und Dänemark an der Spitze - ECOreporter.de-Interview mit Sabine Döbeli, Leiterin Umwelt- und Sozialresearch der Zürcher Kantonalbank zur aktuellen Studie "Nachhaltigkeitsrating für Staaten"

Schweden und Dänemark sind die nachhaltigsten Staaten unter den 30 Mitgliedern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Das ist ein Ergebnis der aktuellen Studie "Nachhaltigkeitsrating für Staaten" der Zürcher Kantonalbank. In einem umfassenden Rating hat das Schweizer Bankhaus die Staaten anhand von 100 verschiedenen Indikatoren miteinander verglichen. Welche Informationsquellen nutzt das Bankhaus für die Bewertung? Weshalb schneiden die skandinavischen Staaten so gut ab? Über diese und weitere Fragen sprach ECOreporter.de mit Sabine Döbeli, Leiterin Umwelt- und Sozialresearch der Zürcher Kantonalbank.


ECOreporter.de: In Ihrem Nachhaltigkeitsrating der OECD Staaten haben Sie 30 Volkswirtschaften analysiert. Auf welche Informationsquellen stützen Sie Ihre Analyse?
Sabine Döbeli: Die Analyse basiert auf 100 verschiedenen Indikatoren, die aus einer Vielzahl von Informationsquellen stammen. Am Wichtigsten waren Publikationen der OECD, der Weltbank, des UNDP (United Nations Development Program) sowie der Weltgesundheitsorganisation WHO. Daneben wurden Publikationen von 23 weiteren Organisationen wie Nichtregierungsorganisationen (z.B. Amnesty International, Transparency International), Universitäten und Behörden (z.B. Europäische Umweltagentur) mit einbezogen.

ECOreporter.de: Wie aktuell sind die Daten, die der Bewertung zugrunde liegen?
Döbeli: Es wurden immer die aktuellsten verfügbaren Daten verwendet. In der Mehrheit der Fälle stammen diese aus dem Zeitraum 2000 bis 2003. In einigen Fällen reichen sie aber auch weiter zurück - im Extremfall bis 1997.

ECOreporter.de: In welchen Ländern haben Sie die stärksten und wirkungsvollsten Bemühungen um eine Verbesserung der ökologischen und sozialen Verhältnisse festgestellt?
Döbeli: Wir messen mit unserem Rating nicht die Bemühungen, die ein Land unternimmt, um die Situation zu verbessern, sondern den Zustand, in welchem sich das Land bezüglich Umwelt- und Sozialthemen präsentiert. Außerdem vergleicht das Rating die Länder nicht bezüglich der absoluten Leistung im Zeitverlauf, sondern es wird eine Rangfolge der 30 Länder zu einem bestimmten Zeitpunkt gebildet. Rein theoretisch kann sich deshalb ein Land bezüglich Rang verbessern, ohne absolut gesehen eine Verbesserung erreicht zu haben. Dies dann, wenn andere Länder noch schlechter geworden sind. Ein Rückschluss auf unternommene Aktivitäten lässt sich deshalb nur sehr beschränkt ziehen.
Im Vergleich mit dem letzten Nachhaltigkeitsrating haben sich Japan, Italien, Island und Korea bezüglich Rangierung am meisten verbessert. Sie sind aber trotzdem nicht in die Spitzengruppe vorgestoßen. Innerhalb der Spitzengruppe kam es höchstens zu Rangverschiebung um zwei Stufen. Die Spitzengruppe blieb im Vergleich mit dem letzten Rating sehr stabil, wie übrigens auch die Schlussgruppe.

ECOreporter.de: Das Länderrating ist vor allem für die Investition in festverzinsliche Wertpapiere der jeweiligen Ländern wichtig. Welche Bedeutung haben diese Papiere für nachhaltig geführte Investmentfonds?
Döbeli: Staatsanleihen sind für Nachhaltigkeitsfonds, die auch in Festverzinsliche investieren (also reine Bondfonds oder ausgewogene Fonds), eine wichtige Anlageklasse. Die meisten OECD-Staaten besitzen ein relativ gutes Bonitätsrating: die Ausfallwahrscheinlichkeit solcher Anleihen ist also gering. Zudem haben viele Staaten große Mengen an Anleihen ausstehend, womit es einfacher wird, solche Anleihen zu einem fairen Preis zu erwerben.

ECOreporter.de: Schweden ist auf Platz eins, die USA auf Platz 30 Ihrer Bestenliste gelandet. Was hat Schweden besonders richtig, was die USA besonders falsch gemacht?
Döbeli: Da das Rating auf 100 verschiedenen Indikatoren beruht, kann man das gute Abschneiden von Schweden und das schlechte Resultat der USA kaum auf ein paar wenige Faktoren zurückführen, sondern auf die Summe aller Leistungen in den betrachteten Themen. Hier trotzdem ein paar ausschlaggebende Faktoren:
Schweden erreichte das beste Sozialrating. Mit 4.6 Prozent des BIP gibt Schweden mit Abstand am meisten für Forschung und Entwicklung aus. Sowohl die gute Ausbildung von Frauen als auch eine hohe Teilnahme an politischen und wirtschaftlichen Ämtern führen zur Maximalpunktzahl bezüglich Gleichberechtigung der Geschlechter. Im internationalen Engagement machen sich hohe Beiträge an Entwicklungszusammenarbeit, hohe Anteile von Flüchtlingen sowie tiefe Waffenexporte bezahlt.
Im Umweltrating liegt Schweden zusammen mit Österreich hinter der Schweiz auf dem zweiten Platz. Im Bereich Treibhauseffekt belegte das Land den Spitzenplatz, weil die CO2-Emissionen und sonstigen Treibhausgasemissionen pro Kopf relativ tief sind und die Effizienz (Emissionen pro BIP) hoch ist. In der Umweltpolitik ist positiv zu vermerken, dass Schweden alle wichtigen Konventionen ratifiziert hat, die Umweltpolitik von Experten als gut eingestuft wird und ein relativ großer Teil der Unternehmen nach ISO 14001 zertifiziert ist. Auch bezüglich Biodiversität ist das Land klar überdurchschnittlich: ein relativ hoher Anteil von Biolandbaufläche (6 Prozent) sowie viele Waldflächen, die nach FSC zertifiziert sind, geben hier den Ausschlag.

Die USA landen im Umweltrating mit Abstand auf dem letzten Platz. Gleich in drei Bereichen erzielen sie das schlechteste Resultat. Der höchste Fleischkonsum, der sehr hohe Papierverbrauch, die höchsten Abfallmengen sowie die geringe Recyclingrate tragen zum Ergebnis bei den Ressourcen bei. Die CO2-Emissionen sind mit 20 Tonnen pro Kopf mit Abstand am höchsten. Da auch das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert wurde, liegt der Wert bezüglich Treibhauseffekt beim Minimum. Die USA haben auch sonst am wenigsten internationale Umweltabkommen unterzeichnet, haben niedrige Umweltsteuern und im Vergleich wenig Unternehmen mit zertifiziertem Umweltmanagementsystem, daraus sich das schlechteste Resultat bei der Umweltpolitik.

Auch im Sozialrating liegen die USA auf dem 22. Platz. Ausschlaggebend sind z.B. die noch immer praktizierte Todesstrafe und die nicht unterzeichneten Menschenrechtskonventionen (schlechteste Bewertung bei den Menschenrechten). Nur 0,1 Promille des BIP wird für Entwicklungszusammenarbeit gespendet - die OECD fordert 1 Promille! Von den weltweit exportierten Waffen stammen 23 Promille aus den USA. Beides trägt zum schlechten Resultat beim internationalen Engagement bei. Bezüglich Gesundheit wirken sich u.a. die vielen Übergewichtigen sowie die geringen Tabak- und Alkoholpreise negativ aus.

ECOreporter.de: Besonders gut haben wieder die skandinavischen Länder abgeschlossen. Worauf lässt sich aus Ihrer Sicht die auffallend gute Performance dieser Region zurückführen?
Döbeli: Bei den Skandinaviern paart sich ein sehr gutes Sozialrating mit einem guten bis mittleren Umweltrating. Im Sozialrating sind es hauptsächlich die Bereiche Gleichberechtigung, Internationales Engagement, Menschenrechte und Sicherheit/Stabilität die überdurchschnittlich ausfallen. Im Umweltbereich sind sich die Skandinavier weniger ähnlich. Meist ist aber die Bewertung der Umweltpolitik recht gut ausgefallen.

ECOreporter.de: Wie sind die Ergebnisse anderer angelsächsischer Länder im Vergleich zum den Vereinigten Staaten?
Döbeli: Im Nachhaltigkeitsrating landeten Großbritannien auf Rang 9, Neuseeland auf Rang 10, Kanada auf Rang 20 und Australien auf Rang 23. Kanada und Australien, die wohl am ehesten mit den USA vergleichbar sind, haben sich also auch im hinteren Drittel positioniert, wenn auch nicht so schlecht, wie die USA. Betrachtet man nur das Umweltrating, dann sind die letzten drei Ränge von Australien, Kanada und den USA besetzt. Bei allen drei Länder wirkt sich u.a. der sehr hohe Ressourcenverbrauch aus. Im Sozialrating liegen sowohl Kanada (Rang 7) wie auch Australien (Rang 12) deutlich vor den USA (Rang 22).

ECOreporter.de: Wie viele Fonds orientieren sich am Nachhaltigkeitsrating für Staaten der ZKB? Wie groß ist das Anlagevolumen dieser Fonds?
Döbeli: Das Nachhaltigkeitsrating wird natürlich nur für gemischte Anlageprodukte, die auch in festverzinsliche Anleihen investieren, verwendet. Das sind im Moment vier verschiedene Anlagefonds und Vorsorgeprodukte, sowie individuelle Vermögensverwaltungsmandate. Der Gesamtumfang entsprechender Produkte (ohne Vermögensverwaltung) beläuft sich auf gut 200 Millionen Schweizer Franken bzw. knapp 150 Millionen Euro

ECOreporter.de: Frau Döbeli, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Die Studie kann für 150 Schweizer Franken unter folgender Adresse bestellt werden:
Zürcher Kantonalbank
Research, IRS
Postfach
8010 Zürich
Tel. 044 292 25 10

Bild: Sabine Döbeli / Quelle: Unternehmen
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