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10.10.2007: Der Wind als launisches Kind – Wie sicher können Prognosen für Windernten sein? ECOreporter.de hat nachgefragt

In den letzten Jahren häuften sich die Monate mit schlechten Windernten. Das hat in der Windkraftbranche zu umfassenden Diskussionen darüber geführt, wie aussagekräftig etwa Windgutachten für Windfonds sein können. Ein Ergebnis war die Neuberechnung ("BDB-Index Version 2006") des BDB-Windindex, auch bekannt unter den Namen "Häuser-Keiler-Index" oder "IWET-Index". Dieser ist eine Kenngröße für das Produktionsgeschehen von Windenergieanlagen (WEA) für einzelne Monate und für 25 Regionen in Deutschland. Dabei handelt es sich um einen statistischen, monatlichen Mittelwert, der die Relation zwischen den gemeldeten Erträgen (kWh) von WEA einer Region und eines Monats zu den langjährigen, mittleren Erträgen dieser Windenergieanlagen beschreibt (Näheres dazu kann nachgelesen werden auf der Homepage des Anbieters, zu der Sie per Mausklick gelangen). Die neuen Indexwerte liegen im Mittel über den alten Indexwerten, mit deutlichen Schwankungen in den einzelnen Regionen. Der neu berechnete BDB-Index basiert auf einem 30-jährigen 100%-Zeitraum; die windschwachen Jahre 2003 bis 2005 wurden eingerechnet, so dass sich das mittlere Niveau verringerte. Mit einer Prozentzahl wird hier ausgewiesen, wie weit die Produktionserträge aller WEA, die erfasst werden, von ihren langjährigen Durchschnittswerten in der BDB abweichen. So wurden unlängst die gemittelten BDB-Indizes für den windarmen August 2007 mit 56 Prozent beziffert. Mit 132 Prozent war dagegen der März dieses Jahres ein guter Monat für die Windmüller.

Laut Daniela Jacob, Windgutachterin und Expertin für Klimamodellierung am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie, ist der IWET-Index „nach wie vor für Windgutachter die wichtigste Basis für den Langzeitbezug“. Die von ihr und Herbert Schwartz geführte anemos-jacob GmbH zählt zu den führenden unabhängigen Windgutachterbüros in Deutschland (wir befragten Sie schon 2004 einmal zur Qualität von Windgutachten, nachzulesen im ECOreporter.de-Beitrag vom November 2004). Wie sie nun gegenüber ECOreporter.de erläuterte, kann man „nicht genau erklären, warum es Phasen mit geringem Windangebot gibt“. Die schwachen Wind-Phasen in den letzten Jahren bewegten sich nach ihrer Einschätzung im Bereich der natürlichen Schwankungen. „In den letzten 100 Jahren gab es immer wieder einmal Phasen mit geringem Windaufkommen, die 5, 10 oder 15 Jahre dauerten“, so Jacob. „Insgesamt muss man festhalten, dass man sich beim Messen von Wind im nicht linearen, chaotischen Bereich des Wetters bewegt, mit einem Potential zu großen, nicht vorhersehbaren Schwankungen“, erklärte die Windexpertin weiter. Das sei für Planer von Windparks natürlich ein Problem, denn jede Windschwankung wirke sich bei ihnen auf die Geldmenge aus. „Sie möchten gern auf ein Prozent genau wissen, wie der Windertrag ausfällt. Doch das kann man messtechnisch im Gelände nicht leisten“, stellte Jacob gegenüber ECOreporter.de fest.

Wie sie weiter ausführte, steckt hinter dem Verfehlen von Ertragsprognosen oft „eine Akkumulation gleich mehrerer Faktoren“. So werde zum Beispiel der Einfluss von Wald von Modellen oft nicht ausreichend hergegeben. Auch seien die Leistungskennlinien von Windkraftanlagen zuweilen sehr unterschiedlich. „Bis 2001 waren Angaben hierzu konservativer als heutige, die weitaus optimistischer sind“, so Jacob. Entsprechend müsse man bei der Prognose für einen Windpark berücksichtigen, aus welchem Jahr die Leistungskennlinien stammen. Jacob kam gegenüber ECOreporter.de auch auf die Abweichungen in den Windgutachten zu sprechen. Solche sind der Windgutachterin zufolge auf die Unterschiede in den Gewichtungen der vielen einzelnen Faktoren durch die einzelnen Gutachter zurückzuführen. Zwar hätten die intensiven Diskussionen der vielen Branchenbeteiligten nicht zu einer Vereinheitlichung bei den Windgutachten geführt, immerhin aber „zu einem breiten Konsens über die methodischen Anforderungen an Windgutachten“. Ohnehin sei zunehmend deutlich geworden, dass diese Vielfalt auch notwendig sei, dass eine Vereinheitlichung der Ansätze gar nicht greife. Denn als Gutachter komme man mit einem festen, vorgegebenen Schema einem „chaotischen“ Phänomen wie dem Wind nicht wirklich bei. Viel wichtiger sei ein „Verständnis“ für den Wind und das Einbringen von konkreter Erfahrung viel Erfolg versprechender. Die Bandbreite der verschiedenen Gutachten ist laut Jacob aussagekräftiger als das Mittel der Feststellungen, zu denen sie gelangen. Auch ist die mittlere Windgeschwindigkeit sei nicht das allein selig machende Merkmal für den Ertrag. „Wichtiger ist zum Beispiel die Verteilung des Windaufkommens“, sagte die Windexpertin. „Nach unserer Einschätzung muss sich die Erwartungshaltung an die Gutachten ändern, sie ist oft noch zu statisch angesichts des Wechselhaften im Auftreten des Windes“, stellt Jacob dazu abschließend fest. Ihre Empfehlung: „Das Risikomanagement von Windparks muss die Schwankungsanfälligkeit von Wind berücksichtigen“. Zum Beispiel sollten die Finanzierungszeiträume flexibler gestaltet werden, schlägt sie vor.

Neben Lob äußerte Jacob gegenüber ECOreporter.de auch Kritik an der Neuberechnung des Häuser-Keiler-Index oder IWET-Index. Dieser gebe im gesamten nordwestlichen Bereich Deutschlands nun ein niedrigeres Langfristpotential an mit zum Teil erheblichen Änderungen im Vergleich zur vorherigen Index-Version. „Die Absenkung des Langfristniveaus entlang der schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Küste findet tendenziell unsere Zustimmung“, erläuterte die Windgutachterin. Als „vollkommen unverständlich“ erscheint ihr dagegen der starke Anstieg des Indexniveaus um rund sechs Prozent in den Indexberechnungen für den Südwesten Deutschlands. „Die von der IWET angegebene starke Abweichung des Windpotentials der letzten Jahre von dem langer Zeiträume wird durch die in der Region erhobenen Daten nicht gestützt“, meinte sie. Für die Windexpertin halten sich bei dem überarbeiteten Windindex „Verbesserungen und Verschlechterungen die Waage“. Von einer überzeugenden Lösung könne nicht die Rede sein.

Bildhinweise:
Baumbestände in der Nähe eines Windparks können starken Einfluss auf die Erträge eines Windparks haben. / Quelle: Nordex AG
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